Sie sind hier

Die aktivste Zeit der Kölner Jungsozialisten 1976 -1978

Um sich der anderen Zeit zu vergegenwärtigen, einmal ein Beispiel aus den 70er Jahren. Viele BesucherInnen dieser Seite waren zu dem zeitpunkt nicht geboren. Vor fast 40 Jahren gab es in den Bundesrepublik übelste politische Grabenkämpfe. Es gab insbesondere in der Sozialdemokratie große Bestrebungen von Abgrenzung zu Kommunisten, so gab es Nichtvereinbarungserklärungen, Disziplinarverfahren, Kontrollmechanismen und Ausschlüsse aus der Partei. Sozialdemokraten und Kommunisten waren bis zum 1. Weltkrieg in einer gemeinsamen Partei, die Kommunisten gingen auf Abstand zu den Sozialdemokraten als diese einem kaiserlichen Kriegskredit zustimmten. Immer wenn die SPD in Richtung Bürgertum gegangen ist ließ sie Mitglieder und Anhänger zurück. Zeitgleich bekämpfte sie jede Organisation links von ihr von 1918 bis 1933 von 1948 bis zum Ende der DDR fast im Staatsauftrag, teils sehr verbissen. Erst seit den 90ern kommt es teilweise zu Entspannungen.
Das Textbeispiel zeigt, welche Dynamik die ausserparlamtarischen Aktivitäten angenommen haben, es fanden auf gutem bis hohem Niveau in Punkto Beteiligung und Schlagzahl Aktivitäten in Köln statt. Nicht minder dann jeweils von KPD, DKP, KBW. ... es war politisch richtig was loß auf den Straßen und in den Säälen Kölns, dies zog sich in diversen Variationen und Umbesetzungen bis in die 90er , bis zur Niederschlagung der Deutschen Liga gegen Volk und Heimat, danach verebte die ausserparlamentarische Aktivität in Köln erheblich. Nun 20 Jahre später, wächst langsam wieder etwas an, diesseits von SPD und Grünen. Ein Teil der genannten Veranstaltungen fanden damals auch in Porz statt, meist gegen Nazis und Revanchismus gerichtet. Allerdings hat die Gesellschaft heute einen anderen Altersdurchschnitt, eine andere Ausgangslage und die Verbürgerlichung der Gesellschaft ist sehr weit fortgeschritten.
Serie Aufgefunden, wir dokumentieren:
 
Beitrag von Karl Rössel  gefunden in sf-rheinland.de
"Daß die außerparlamentarischen Aktivitäten der Kölner Jusos in den Jahren 1976 bis 1978 ihren Höhepunkt erlebten, liegt sicherlich nicht daran, daß ich damals als ihr Vorsitzender fungierte. Dies entsprach vielmehr der damaligen politischen Entwicklung der Jusos insgesamt, in Köln wie anderswo. In bin 1971 in die SPD eingetreten und arbeitete zunächst in der Juso-AG Buchforst / Stegerwald. Der Ortsverein sollte später zum Linksaußen der Kölner SPD werden. Einige seiner damaligen Sprecher sitzen dennoch heute im Stadtrat und in der Bezirksvertretung. Einer wurde sogar zeitweise Pressesprecher Oskar Lafontaines im Saarland. 1975 wurde ich - auf Vorschlag von Kurt Uhlenbruch - bei einer Nachwahl in den Vorstand der Kölner Jusos gewählt. 1976 übernahm ich - damals immer noch von Uhlenbruch unterstützt - den Vorsitz. 1978, ein Jahr nach dem Benneter-Ausschluß und einer Vielzahl unschöner Fraktionskämpfe innerhalb der Kölner Jusos, verzichtete ich auf eine weitere Kandidatur.
Typische Aktivitäten, die von den Kölner Jusos nach 1975 mitgetragen bzw. selbst initiiert wurden, waren z.B.:

  • Bürgerinitiative und Flugblatt (Auflage: 20.000) gegen die Massenentlassungen bei F&G (1976/77)
  • Flugblatt und Demonstration gegen eine erneute KVB-Preiserhöhung (Juni 1977)
  • Antifaschistische Demonstration gegen eine NPD-Veranstaltung in Porz (März 1977)
  • Mobilisierung für Anti-AKW-Demonstrationen in Brokdorf und Kalkar
  • Flugblatt (Auflage: 20.000) und Aktion gegen die von der SPD-Ratsfraktion geplante Stadtautobahn (April 1977)
  • Aktion gegen die Neutronenbombe und eine Waffenschau in Porz
  • Veranstaltung zur Bild mit Günter Wallraff mit 500 TeilnehmerInnen in Chorweiler (Zwei Wochen später erschienen zu einer Veranstaltung des SPD-Ortsvereins Chorweiler mit Landesminister Johannes Rau am selben Ort gerade 27 Leute, davon fünf Sicherheitsbeamte)
  • Veranstaltung (u.a. mit Franz Josef Degenhardt) gegen Zensur im WDR nach Entlassung eines gewerkschaftlich engagierten Redakteurs (600 Anwesende)
  • Aktionen mit der Kölner Initiative gegen die Berufsverbote
  • Flugblätter und Veranstaltung gegen Massenentlassungen bei VFW-Fokker (100 Anwesende)
  • Konzert mit Wolf Biermann (nach seiner Ausbürgerung aus der DDR) in der Kölner Sporthalle (5.000 ZuschauerInnen)
  • Unterstützung der antifaschistischen Demonstration zur Auflösung der SS-Verbände
  • Pressekonferenz mit Beate und Serge Klarsfeld über das ungestörte Rentnerdasein ehemaliger Nazis und Kriegsverbrecher in Köln (wie Kurt Lischka, des ehemaligen Pariser Gestapo-Chefs)

Von 1977 bis 1979 veranstalteten die Kölner Jusos zudem drei gut besuchte Filmreihen ("Kontrast-Kino I-III") in den Programmkinos Savoy und Lupe, bei denen jeweils etwa 1.500 Zuschauer erreicht wurden. Die erste enthielt politische Spiel- und Dokumentarfilme zu verschiedenen Themen, die zweite stand unter dem Thema "Zur Situation ausländischer Arbeiter und ihrer Heimatländer", und die dritte war eine "antifaschistische Filmreihe".
Besonders aktiv war damals schließlich der Arbeitskreis Internationales. (Verantwortlich dafür waren damals Willi Hanspach, Manfred Nünke, Angelika Blickhäuser und Hans Gürth.) Er veranstaltete Seminare zusammen mit französischen, spanischen und italienischen Linkssozialisten und unterhielt regelmäßige Kontakte zu einer Vielzahl von "Emigrantenorganisationen" (von den Kölner Vertretungen des Partito Socialista Italiana über türkische und kurdische Organisationen bis zu Exil-Chilenen der Unidad Popular) sowie "Befreiungsbewegungen" (von iranischen Widerstandsgruppen bis zur Frente Polisario aus der Westsahara). Dieser AK Internationales organisierte einige der erfolgreichsten öffentlichen Veranstaltungen der Kölner Jusos in den 70er Jahren. Neben dem bereits erwähnten "Festival des verbotenen Liedes" (1.000 Besucher) gab es allein im Rahmen der Chile-Solidarität noch eine Veranstaltung "Der Gesang Chiles" (400 Besucher) und ein Quilapayun-Konzert in der gefüllten Mülheimer Stadthalle. Dort fand - zum Abschluß der Filmwoche zum Thema Ausländer - auch ein "Festival des internationalen Liedes" statt, das von fast 1.500 Menschen besucht wurde. Es gab eine "Brasilienwoche" (500 Besucher), ein "Südafrikafest" und Aktionen aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien.
Eine vergleichbare Anzahl öffentlicher Aktivitäten und Großveranstaltungen der Kölner Jusos zu Schwerpunktthemen der außerparlamentarischen Linken hat es seitdem nicht mehr gegeben. Die weitgehende Reduzierung der Jusos auf innerparteiliche Sandkastenspiele, die seitdem in Köln zu beobachten ist, entspricht dabei allerdings durchaus der Entwicklung der Gesamtorganisation, deren Bedeutung für die bundesdeutsche Linke gegen Null tendiert. Der politische Verfall begann, auch in Köln, mit dem Benneter-Ausschluß. Und auch hier trugen Teile der Jusos maßgeblich selbst zu dieser Entwicklung bei. Ihr Hauptziel bestand darin, die Konflikte mit der SPD einzudämmen, in der man schließlich noch Karriere machen wollte. So forderte ein von dieser (Reformisten-) Gruppe vorgelegter Antrag ("Thesen zur Taktik") zum Beispiel: "Abbau der unpolitischen Kraftmeierei, Abbau von rein formalen Konflikten und Beendigung der Auseinandersetzungen auf Nebenschauplätzen der Politik". Die VertreterInnen dieser Gruppe, die sich damit offen von Benneter und anderen SPD-DissidentInnen distanzierten, griffen - da sie für ihre Positionen zunächst keine Mehrheiten fanden - schließlich auch auf Jusoebene zu den stadtüblichen Klüngelmethoden, die sie von der SPD-Rechten gelernt hatten. Sie bildeten - zunächst geheim, später offen - eine eigene Fraktion (die "Organisierung von Tendenzen" nannte sich das). Und deren Ziel bestand darin, die politische Richtung der Kölner Jusos zu verändern (bzw. wieder auf den Stand von 1974 zurückzudrehen)."
 
Ende der Dokumentation

Tags: 

Theme by Danetsoft and Danang Probo Sayekti inspired by Maksimer